Individuelle Dosieranlagen für automatisiertes Kleben
Bauteile im Sekundentakt perfekt fügen
Das Kleben hat längst klassische Fügetechniken wie Schweißen oder Schrauben abgelöst. Zunehmend werden automatisierte Lösungen gefordert, die genau auf die kundenspezifische Anwendung abgestimmt sind. Dazu müssen bei der Erstellung des Anlagenkonzepts verschiedene Faktoren berücksichtigt werden.
Zügig nehmen die beiden Roboter abwechselnd ein Bauteil auf und fahren es in die Höhe in Richtung einer Gasflamme. Auf der anderen Seite nimmt ein weiterer Roboter fertige Bauteile von einem Förderband und sortiert sie in einen Regalwagen ein. Sie sind Teil einer automatisierten Dosier- und Mischanlage, die beim polnischen Haushaltsgerätehersteller Amica Komponenten für Backofentüren fügt. Die automatisierte Dosier und Mischanlage wurde genau auf die Applikation abgestimmt und eigens hierfür vom Dosiertechnikhersteller Dopag konstruiert.
In den vergangenen Jahren sind die Anforderungen an die Dosiertechnik vor allem vor dem Hintergrund des Schlagworts „Industrie 4.0“ zunehmend gestiegen. Flexibilität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit zählen heute zu den maßgeblichen Faktoren für eine erfolgreiche Produktion. Hinzu kommen die Automatisierung und die voranschreitende Digitalisierung. Dies stellt auch die Dosiertechnik vor neue Herausforderungen. Kunden verlangen längst nicht mehr nur eine reine Dosieranlage, sondern automatisierte Komplettlösungen, welche sich effizient in den gesamten Produktionsprozess integrieren lassen. Zum einen sind die Anforderungen je nach Branche und Anwendung höchst unterschiedlich, etwa hinsichtlich Genauigkeit, Materialersparnis, Zykluszeit, Handlingsgeschwindigkeit, Zertifizierungsklassen oder einzuhaltenden Normen. Zum anderen gehören zu einem intelligenten Gesamtkonzept nicht nur Dosier- und Mischanwendungen selbst, sondern auch die zugehörigen Peripheriekomponenten für eine Vor- und Nachbehandlung der Bauteile, Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie die notwendige Förder- und Handlingstechnik.
Kurze Taktzeiten effizient abbilden
Bei der Konstruktion der Anlage für Amica galt es, verschiedene Anforderungen abzubilden. Ausgangspunkt für das Anlagenkonzept war zunächst die Vorgabe der Stückzahl, die innerhalb eines bestimmten Zeitfensters produziert werden soll. Aufgrund sehr kurzer Takt- bzw. Zykluszeiten mussten sowohl das Handling der Bauteile als auch der Aushärte-Prozess der gefügten Bauteile effizienter gestaltet werden. Bisher arbeitete der Hersteller mit einem System mit niedriger Automatisierung und führte die Aushärtung bei Raumtemperatur durch, wodurch die Produktion sowohl viel Zeit als auch viel Platz in Anspruch nahm. Allein 100 Quadratmeter mussten für den Aushärte-Prozess zur Verfügung stehen. Dank der neu konstruierten Anlage kann die Produktion künftig in vielen Punkten effizienter gestaltet werden.
Auf rund 52 Quadratmetern sind nun sämtliche Arbeitsschritte von der Vorbehandlung über das Kleben und Aushärten bis hin zum Handling integriert. Die vorher benötigte Fläche für den Aushärteprozess entfällt, da die Bauteile bereits ausgehärtet aus der Anlage kommen. Diese können somit direkt dem nächsten Produktionsschritt zugeführt werden. Die Fördertechnik wurde so ausgelegt, dass jederzeit alle Komponenten verfügbar sind und ein kontinuierlicher Produktionsfluss gesichert ist. Alle Bauteile können laufend manuell nachgelegt werden, Stillstandszeiten der Anlage werden somit vermieden. Für das Handling der Bauteile kommen zwei parallel arbeitende Roboter zum Einsatz. Jeweils abwechselnd nehmen sie eine Außenscheibe der späteren Backofentür auf, welche aus dem Magazin herausgefahren wird. Links und rechts vom Magazin befinden sich Schiebetische, denen die Roboter ebenfalls abwechselnd Leisten entnehmen. Diese dienen später der Befestigung der Innenscheibe und der Türscharniere.
Vorbehandeln, Auftragen und Fügen in einem Zug
Vor dem Fügen der einzelnen Komponenten ist eine Vorbehandlung der Glasscheibe notwendig. Dazu wurde das Pyrosil-Verfahren in das Anlagenkonzept integriert. Mittels einer Gasbeflammungsanlage wird dabei eine Silikat-Schicht auf die Oberfläche der Scheibe aufgetragen. Der Klebstoff, der unmittelbar im Anschluss auf das Bauteil aufgetragen wird, haftet dadurch besser und ermöglicht langfristig eine sichere Verbindung der Komponenten. Ein Vorteil dieser Vorgehensweise: Vorbehandlung, Klebstoffauftrag und Fügen erfolgen in einem Zug, eine Einflussnahme durch den Anwender ist nicht möglich. Somit wird sichergestellt, dass die für das Auge unsichtbare Vorbehandlung durchgeführt wurde und der Klebstoff reaktiv ist. Könnte der Anwender vor dem Klebstoffauftrag auf das Bauteil zugreifen, wäre eine Verunreinigung durch Anfassen möglich und eine zuverlässige Haftung des Klebstoffs nicht mehr gewährleistet.
Die Anforderung bestand nicht nur darin, einen exakten, zuverlässigen und reproduzierbaren Klebstoffauftrag sicherzustellen. Vielmehr soll das Dosiersystem in der Lage sein, verschiedene Applikationen abzudecken. Der Hersteller verwendet für die Produktion verschiedene Glasscheiben und Profile, sodass mehr als zehn verschiedene Endversionen möglich sind. Zum Einsatz kommt ein zweikomponentiger Silikon-Klebstoff, welcher mit dem Dosiersystem vectomix von DOPAG dosiert, gemischt und in Rundraupenform aufgetragen wird. Vectomix wurde speziell für die Verarbeitung mehrkomponentiger Medien entwickelt und ist modular aufgebaut. Hierdurch ergibt sich ein breites Einsatzspektrum des Dosiersystems. Die Materialversorgung erfolgt über Kolbenpumpentechnik. Zwei einzelne Kolben-Dosiereinheiten sind über einen Mischblock miteinander verbunden, an dessen Auslass sich ein Kunststoff-Mischrohr befindet. Da das Material gleichmäßig auf zwei Stellen aufgetragen werden muss, wird der Volumenstrom des Mischrohrs geteilt, damit der Klebstoff gleichzeitig und gleichmäßig appliziert werden kann. Über einen integrierten Dosierrechner können das Mischungsverhältnis und die Austragsmenge variabel gesteuert werden.
Aushärte-Puffer spart Zeit und Platz
Im früheren Produktionsablauf nahm die Aushärtung der Bauteile viel Zeit und Platz in Anspruch, da diese bei Raumtemperatur erfolgte. Um die Anforderungen an kurze Taktzeiten zu erfüllen und Stillstandszeiten zu vermeiden, integrierte Dopag einen Aushärtepuffer mit Pater-Noster-System in die Anlage. Bei diesem Nachbehandlungs-System durchlaufen die gefügten Bauteile zunächst eine Heiz- und dann eine Kühlkammer. Der Klebstoff wird damit schneller und platzsparend zur Reaktion gebracht, um die Bauteile in einer möglichst kurzen Zykluszeit herzustellen. Dank der neuen Lösung ist alle 11,5 Sekunden ein Bauteil fertig und für die Weiterverarbeitung bereit. Damit konnte die Zykluszeit gegenüber der alten Produktionsweise um 30 Prozent verkürzt werden.
Kunden erwarten Gesamtlösungen
Kunden erwarten heute zunehmend eine solche Gesamtlösung für das automatisierte Kleben, Dichten oder Vergießen. Deshalb ist für die Entwicklung nicht nur eine hohe Kompetenz in der Dosiertechnik, sondern auch Erfahrung im Sondermaschinenbau gefragt. Das Ergebnis ist ein schlüsselfertiges Dosiersystem, welches das gesamte Handling der Bauteile sowie die Applikation inklusive aller Vor- und Nachbehandlungen abbildet. Der Schlüssel ist eine detaillierte Analyse des Kundenbedarfs, denn nur hieraus resultiert am Ende eine Lösung, die für den Kunden das Maximum bietet und eine erfolgreiche Produktion sicherstellt.
Vor und nach dem Dosierprozess – mögliche Prozessschritte
Maßnahmen zur Vorbehandlung für den automatisierten Materialauftrag:
- Reinigen
- Bürsten
- Primern
- Plasma
- Gasflamme
- Pyrosil (auf Basis Plasma oder Gasflamme)
- Corona
Maßnahmen zur Nachbehandlung und Qualitätssicherung:
- Aushärtesysteme: Infrarot, Ultraviolett, Mittelfrequenztechnik, Durchlaufofen, Pufferstrecke
- Qualitätssicherung: Volumenmess-Systeme, Kontrolle des Materialauftrags (Lage und Qualität), Bauteilkontrolle und -vermessung
- Prozessdatenarchivierung, Prozessvisualisierung: Datenträger (USB, Flashcard), Netzwerk, SCADA-Systeme